ESSAY-
Essay-
Die Essenz der Bhagavad Gita (Teil IX.) -
© Bernd Helge Fritsch
Liebe mit und ohne Begrenzung
Gewöhnlich wählt der Mensch aus, was er lieben will und was er ablehnt zu lieben. Seine „Liebe“ ist selektiv und begrenzt. Er liebt, was ihm gefällt und womit er sich verbunden fühlt. Er liebt, was er als angenehm beurteilt, er liebt diejenigen, die ihn lieben, die ihm Gutes tun. Er liebt Erfolg und Besitz. Er liebt „seine“ Familie, „seine“ Volksgruppe, „seine“ Glaubensfreunde.
Jesus stellte die radikale Forderung auf:
„liebet eure Feinde!... Wenn ihr nur die liebt die euch lieben, welchen Lohn werdet ihr haben?“
(Mat. 5,44-
Die eigenen Feinde zu lieben, dieses Gebot geht zweifellos über das einem Menschen zumutbare Verhalten hinaus. Wie kann jemand das lieben, was er als böse oder schlecht zu bekämpfen oder zumindest abzulehnen gewohnt ist?
Die „duale Liebe“ begehrt, will dies und jenes für sich besitzen, will geliebt, gelobt und anerkannt werden. Hingegen leisten wir gegenüber dem, was uns nicht gefällt zumindest inneren Widerstand. Wir ärgern uns, geraten in Wut, schimpfen, bedauern uns. Für den normalen Menschen ist es unmöglich seine „Feinde“ zu „lieben“. Niemand kann und niemand wird das Unerfreuliche begehren oder für sich besitzen wollen.
Liebe jenseits von „Gut und Böse“
Die Liebe von der die großen Weisheitslehrer sprechen existiert jenseits von „Gut und Böse“, von „Begehren oder Ablehnung“. Diese Liebe bevorzugt nicht das Eine gegenüber dem Anderen. Sie ist wie Gottes Liebe,
„der seine Sonne aufgehen lässt über die Bösen und über die Guten und es regnen lässt gegenüber Gerechte und Ungerechte.“ (Mat. 5,45)
Das Übel der dualen Liebe, man könnte sie auch als die mit dem Ego verbundene Liebe
bezeichnen, beginnt im Mind. Es beginnt mit der Bewertung als „gut und böse“. Jenseits
von unserer dualen Denkweise gibt es kein „gut und böse“. Naturereignisse (auch sogenannte
Katastrophen), Pflanzen und Tiere sind weder gut noch böse. Dasselbe gilt für die
Menschen. Sie befinden sich auf verschieden Stufen von Bewusstheit. Je unbewusster
sie sind, desto mehr tendieren sie dazu sich selbst und anderen Menschen Leid zuzufügen.
Auch neigt der Mensch dazu, auf unbewusstes Egoverhalten eines anderen mit gleichem
Verhalten zu reagieren. So entstehen Streit, Hass und Krieg. Im Seelen-
Zur Klarstellung sei noch erwähnt, dass trotz des Umstandes, dass es keine „guten“ oder „bösen“ Menschen gibt, dies keinen Freibrief für unheilvolles Handeln bedeutet. Denn jeder muss die karmischen Folgen unbewussten Denkens und Handelns erdulden.
Alle Ereignisse in dieser Welt, das Verhalten der Menschen und ebenso Schicksalsschläge,
Krankheit und Tod sind eingebettet in die unendliche und unfassbare Weisheit und
Liebe des universellen Bewusstseins, auch Gott genannt. Wie ich immer wieder betone:
„Das Schicksal macht keine Fehler!“ oder, wie wir im Lukas-
Die Gita erklärt uns, wie wir unsere duale, von „Lieben und Hassen“ von „Hoffen und Ängsten“ geprägte Denkweise überwinden und der allumfassenden Liebe teilhaftig sein können:
(Krishna:) Er, der weder freudiges Verlangen noch Hass empfindet, der weder jubelt noch trauert, der dem Guten und Bösen gegenüber gleich gesinnt ist, der mir so hingegeben ist, den liebe ich;
Er der gegenüber Freund und Feind sich gleich verhält und ebenso gegenüber guter oder schlechter Nachrede, der in Kälte und Hitze, Freude und Schmerz derselbe bleibt und frei von Anhaften bleibt;
Er, der sich gegenüber Lob und Tadel gleich verhält, wer nicht zu viel redet, genügsam
bleibt, der an nichts festhält, jedoch im Geist gefestigt ist, den so mir zugewandten
liebe ich. (12: 17-
Wahre Liebe entsteht nicht, wenn dem Menschen etwas gefällt und verschwindet, wenn dies nicht der Fall ist. Der Urgrund allen Seins ist Liebe. Die ganze Welt ist aus ihr erschaffen. Das Licht der Liebe hat auf unbegreifliche Weise die Wunder des Universums, die Sonne, das Wasser, unsere Erde, die Pflanzen, Tiere und Menschen hervorgebracht.
„Wäre die Sonne nicht Liebe, hätte ihre Schönheit kein Licht.
Wären Erde und Berge nicht Liebe, würde kein Gras auf ihnen wachsen.“
Dschalal ed–Din Rumi (islamischer Mystiker)
Hinter dem einfachsten Stein, hinter jedem Blatt eines Baumes, hinter allem was erscheint
und vergeht wirkt unablässig die Liebes-
Der Weg des Erwachens führt durch die Liebe zur Liebe, durch Achtsamkeit, durch bewusstes Sein zu höchsten Bewusstsein.
Liebe sein
Wenn alles aus Liebe geschaffen wurde, so ist auch der Mensch im Grunde seines Wesens Liebe. Für den Menschen gilt es sich seines göttlichen Ursprungs, dass heißt sich seiner unteilbaren, allumfassenden Liebe wieder bewusst zu werden.
Die Liebe hat nicht die Absicht etwas Gutes zu tun. Es funktioniert auch nicht, sich
zu bemühen, liebevoll zu sein. Es macht keinen Sinn sich anzustrengen, um zu sein,
was man bereits ist. Wir müssen nur die schwarzen Ego-
Wenn wir wirklich lieben, so SIND wir einfach was wir sind, nämlich Liebe. Und wir können nur entweder leben was wir sind – dass heißt alles Sein zu lieben wie es ist – oder wir leben getrennt von dem was wir sind und was das gesamte Universum von innen heraus bestimmt. Getrennt zu leben, von dem was wir sind bedeutet, Angst zu haben, sich Sorgen zu machen, getrennt von der Liebe zu sein, unglücklich zu sein.
„Du kannst nur entweder leben was du bist – dass heißt du liebst alles Sein wie es ist –
oder du lebst dich nicht.“
Liebe bedeutet zum Leben wie es ist kompromisslos „Ja-
Gott lieben
Die Gita ist im Grunde von der ersten bis zur letzten Seite ausgerichtet auf die liebende Hingabe zu Gott (Krishna). Das „Ziel aller Ziele“ ist die Heimkehr des Menschen zu Gott, welche übereinstimmend ist mit der Heimkehr zu sich selbst.
Doch wie kann der Mensch Gott finden, Gott lieben? Wie kann ich etwas lieben, was alles umfasst, aus dem alles entspringt, was unsichtbar und unvorstellbar ist? Wie kann ich bewusst EINS sein mit dem universellen Bewusstsein, welches für unseren dualen Verstand nicht zugänglich ist?
Die gewöhnliche bewusste Beziehung des Menschen zu Gott – falls überhaupt eine vorhanden
ist – besteht in der Regel darin in die Kirche, in einen Tempel, eine Mosche oder
in eine Synagoge zu gehen, ein Gebet zu sprechen, gewisse Rituale zu vollziehen,
wie die Kommunion in den christlichen Kirchen oder Räucherstäbchen anzuzünden und
sich vor einer Buddha-
Nach altindischer Lehre, die sich in der Gita wiederspiegelt, kann die Vollkommenheit, die Wiedervereinigung mit unserem Ursprung, mit unserem göttlichen Sein im Wesentlichen auf drei Wegen erreicht werden:
Bei näherem Studium zeigt sich, dass diese drei Zugänge, sich gegenseitig bedingen und ergänzen. Bhakti ist nicht denkbar ohne selbstloses Handeln und ein gewisses Verständnis der in uns wirkenden Natur. Befreiendes Handeln benötigt Einsicht in die Motive unseres Handelns und liebende Hingabe. Wahre Erkenntnis eröffnet sich nur der Seele, die zur Hingabe und Aufgabe selbstsüchtiger Interessen bereit ist.
Im Kapitel 12 der Gita, welches nur 20 Verse beinhaltet, geht Krishna auf die folgende Frage von Ardjuna ein:
12: 1 Wer hat größeres Wissen vom Yoga: Jene, die dich in deinen Offenbarungen verehren oder jene, die versuchen sich dem Höchsten, Unvergänglichem und Unsichtbarem zu verbinden?
Es gibt mannigfaltige Möglichkeiten Gott in seiner Erscheinungsweise zu verehren. Wir können Gott in der uns umgebenden Natur, in den Menschen und ihren Werken, in den wunderbaren Wegen des Schicksals erkennen und lieben. Wir können Bilder und Statuen, die von Menschenhand entsprechend ihren Vorstellungen von Gott, Jesus, der heiligen Maria oder von Buddha, Krishna oder anderen Göttern geformt wurden, anbeten.
Viel schwieriger und nicht für alle Menschen möglich ist es, wie die Gita zum Ausdruck
bringt, das Un-
Damit wollen wir uns im nächsten Essaybrief auseinander setzen.
Viel Freude und Bewusstheit wünscht dir
Bernd
Wenn du Fragen zu meinen Essay-
Alle bisherigen Essaybriefe findest du auf unserer Homepage – neuerdings auch im
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